Hohelied Idylle 3

Autor: Briggeler Reinhard (Basierend auf dem Kommentar "Das Hohelied" von Arnold G. Fruchtenbaum)
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Dritte Idylle: Abschluss des Eheschliessungsprozesses

Diese dritte Idylle ist das Bindeglied zwischen den Idyllen eins und zwei. Die erste Idylle handelt vom Hochzeitsbankett und der darauffolgenden Hochzeitsnacht. Die zweite Idylle handelt in der Zeit der Brautwerbung (Dating-Zeit). Diese dritte Idylle nun handelt vom Abholen der Braut (Hochzeitsprozession) und der auf das Hochzeitsbankett folgenden Hochzeitsnacht.

Das antike System der Eheschliessung, besonders in der jüdischen Welt, bestand aus fünf Schritten:

1. Die Verlobung
Die Zeit, in der die Vereinbarungen für die Ehe vertraglich festgelegt wurden. Die vierte Reflexion befasst sich mit diesem Aspekt.

2. Die Hochzeitsprozession
Diese fand statt, wenn der Bräutigam zum Haus der Braut ging, um sie zu holen (wie z.B. in Mt 25,10 oder in Ps 45) oder eine Hochzeitsgesellschaft sandte, um sie in einer festlichen Prozession zu seinem Haus zu holen. Er ging gewöhnlich voran, um sie zu treffen. Davon handelt diese (sechste) Reflexion.

3. Die Hochzeitszeremonie
Hier findet der eigentliche (gesetzliche) Eheschluss statt. Von diesem Aspekt erzählt die erste Reflexion, aber auch diese (sechste) Reflexion.

4. Das Hochzeitsfest oder Bankett
Dieses Fest findet in weit grösserem Rahmen als die Zeremonie statt und ist Inhalt der zweiten Reflexion.

5. Die Hochzeitsnacht
Mit der Hochzeitsnacht wird der Eheschliessungsprozess abgeschlossen. Diese findet nach dem Fest statt, in der das verheiratete Paar durch die erste sexuelle Vereinigung "ein Fleisch" wird. Dies ist Thema der dritten Reflexion und ist auch Thema der siebten Reflexion.

6. Reflexion | 3,6-11 | Die Hochzeitsprozession

In dieser sechsten Reflexion wird die Hochzeitsprozession beschrieben, die von Salomo geschickt wurde (zweiter Schritt). Salomo schickt eine Hochzeitsgesellschaft von Jerusalem nach Galiläa, um Sulamith für die Hochzeit in Jerusalem abzuholen. Die Rückkehr der Festgesellschaft nach Jerusalem, mit der Braut in ihrer Mitte, wird geschildert. Dieser ganze Abschnitt wird von einem Chor gesungen, der die Prozession miterlebt hat.

6 Wer ist sie, die da heraufkommt von der Wüste her wie Rauchsäulen, durchduftet von Myrrhe und Weihrauch, von allerlei Gewürzpulver des Händlers?
7 Siehe da, Salomos eigenes Tragbett: sechzig Helden rings um es her von den Helden Israels.
8 Sie alle führen das Schwert, sind geübt im Kampf; jeder hat sein Schwert an seiner Hüfte, zum Schutz vor dem Schrecken in den Nächten.

Die Frage, die von einem Zuschauer gestellt wird, gibt uns einen Hinweis wo die Hochzeitsgesellschaft sich befindet. Sulamith wird als jemand beschrieben, die "heraufkommt", das bedeutet, dass sie sich Jerusalem nähert. Die Tatsache, dass sie "von der Wüste" kommt, zeigt, dass sie von Galiläa her kommt, d.h. sie kommt vom Norden über das Jordantal und nähert sich nun Jerusalem über die Jericho-Jerusalem-Strasse. Somit ist die Braut nach einem langen Marsch am Stadtrand von Jerusalem angekommen und wird mit königlichen Ehren empfangen. Salomo behandelte seine Braut wie die Königin, die sie in seinen Augen bereits war.

Eine Person aus der Menge antwortet auf die Frage "Wer ist sie, die da heraufkommt"? (V 6a) und beschreibt die Festprozession. Im Mittelpunkt steht "Salomos eigenes Tragbett", ein königliches Bett (Sänfte), speziell für diese Hochzeit angefertigt, auf welchem Sulamith reist. Dieses Bett wird von mehreren Männern getragen, um ihr ein bequemes Reisen zu ermöglichen. Der Geleitschutz besteht aus sechzig kampferprobten Soldaten, um den Schutz der Hochzeitsprozession sicher zu stellen.

9 Der König Salomo hat sich eine Prachtsänfte gemacht aus Holz vom Libanon.
10 Ihre Säulen hat er aus Silber gemacht, ihre Lehne aus Gold, ihren Sitz aus Purpur; das Innere ist ausgelegt, aus Liebe, von den Töchtern Jerusalems.

Hier wird das Hochzeitsbett (Prachtsänfte) beschrieben, welches sich in der Brautkammer befindet. Während die königliche Trage Sulamith transportiert, erwartet sie im Palast ein prächtiges Hochzeitsbett. Dieses Bett ist prunkvoll und mit einem Betthimmel ausgestattet. Das verwendete Holz stammte von Zedern, die Säulen aus Silber und die Füsse aus Gold. Das Kissen bestand aus rotem Purpur, während die Bettdecke kunstvoll gewebt war. Die Töchter Jerusalems beschafften diese teure Bettwäsche aus Liebe zu ihrem König und legten sie über das rote Purpurkissen. So wartete dieses prächtige und liebevoll vorbereitete Ehebett auf Sulamith.

11 Kommt heraus, Töchter Zions, und betrachtet den König Salomo in der Krone, mit der seine Mutter ihn gekrönt hat am Tag seiner Vermählung und am Tag der Freude seines Herzens!

Die Reflexion endet mit einer Aufforderung an die Töchter Jerusalems, Salomo und seiner Braut bei ihrer Hochzeitszeremonie zu folgen, wobei Salomo eine spezielle Hochzeitskrone trägt, die von seiner Mutter Bathseba eigens für diesen Anlass angefertigt worden war. Diese Hochzeitskrone unterscheidet sich von seiner königlichen Krone und symbolisiert die besondere Bedeutung des Tages.

Das hebräische Wort für Vermählung ist hatunah und wird abgeleitet von hatan, was so viel bedeutet wie einschneiden, hineindrücken oder hineingehen und deutet so den ersten Geschlechtsverkehr an als eine Handlung, mit der die Ehe vollzogen wird.

Mit dieser Reflexion ist die Hochzeitsprozession zu Ende gekommen und die Hochzeitszeremonie hat stattgefunden. Das Hochzeitsbankett fand in den Reflexionen eins und zwei statt. Nun wird, wie schon in Reflexion drei, in der folgenden Reflexion erneut die Hochzeitsnacht beschrieben.

7. Reflexion | 4,1-5,1 | Hochzeitsnacht

Diese Reflexion zielt darauf ab, eine detaillierte Beschreibung der Hochzeitsnacht zu geben, die bereits teilweise in der dritten Reflexion behandelt wurde. Im Gegensatz zur früheren Beschreibung, die sich auf die Erfahrungen von Sulamith konzentrierte, fokussiert sich diese siebte Reflexion vorrangig auf Salomos Perspektive. Salomo ist der Hauptredner, abgesehen von V 16, wo Sulamith spricht.

1 Siehe, du bist schön, meine Freundin, siehe, du bist schön: Deine Augen sind Tauben hinter deinem Schleier. Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die an den Abhängen des Gebirges Gilead lagern.

In dieser Reflexion preist Salomo die äussere Schönheit seiner Frau. Ihre Augen sind wie Tauben hinter ihrem Schleier. Es war Sitte, dass sich die Braut in der Hochzeitsnacht verhüllte (Vgl. Gen 24,65). Dieser Schleier, eine Hochzeitsnachttradition, verbirgt das Gesicht der Braut. Sulamiths Augen jedoch leuchten durch den Schleier hindurch. Sulamiths Haar wird von Salomo mit einer Herde schwarzer Ziegen verglichen, die von einem steilen Berghang des Gebirges Gilead herunterfallen.

2 Deine Zähne sind wie eine Herde geschorener Schafe, die aus der Schwemme heraufkommen, die allesamt Zwillinge gebären, und keines unter ihnen ist unfruchtbar.

Sulamiths Zähne werden mit weissen, geschorenen und gewaschenen Schafen verglichen. Ihre Zähne sind wie Zwillingsschafe, weil die beiden Zahnreihen zueinander passen. Ihre Zähne sind wie ein Mutterschaf, das noch keines seiner Jungen verloren hat, was bedeutet, dass Sulamith noch all ihre Zähne hat.

3 Deine Lippen sind wie eine Karmesinschnur, und dein Mund ist zierlich. Wie ein Schnittstück eines Granatapfels ist deine Schläfe hinter deinem Schleier.

Ihre Lippen sind ein Karmesinrot, das ihren schönen Mund umgibt. In Sulamiths Fall haben ihre Schläfen die Farbe von Granatäpfeln, eine Mischung aus dunkel und hellrot.

4 Dein Hals ist wie der Turm Davids, der in Terrassen gebaut ist: Tausend Schilde hängen daran, alles Schilde der Helden.

Ihr Hals ähnelt dem Turm Davids, der terrassenförmig erbaut und von den Schilden der königlichen Garde umgeben ist. Sulamiths langer Hals wird durch Schmuckstücke geziert, deren Anordnung an Terrassen erinnert.

5 Deine beiden Brüste sind wie ein Zwillingspaar junger Gazellen, die unter den Lilien weiden.

Schliesslich kommt er auf die Brüste zu sprechen. Er vergleicht den Busen, aus dem die Brüste hervorgehen, mit einem Feld, das von Lilien bedeckt ist und wo ein Zwillingspaar Gazellen weidet.

Überleitung: Salomo hat damit die siebenfache Schönheit seiner Braut beschrieben (Augen, Haar, Zähne, Mund, Schläfen, Hals und Brüste). Dieses Lob führt zu weiterer Erregung und im nächsten Vers beginnt er sich auf den ersten Geschlechtsverkehr zu freuen.

6 Bis der Tag sich kühlt und die Schatten fliehen, will ich zum Myrrhenberg hingehen und zum Weihrauchhügel.

Die Begriffe "Myrrhenberg" und "Weihrauchhügel" beziehen sich auf das, was in anderer Literatur als "Venushügel" bekannt ist und deuten auf die weiblichen Sexualorgane hin. Nachdem er die Schönheiten seiner Braut auf eine erotische Weise betrachtet hat, sieht er mit grosser Erwartung dem Moment entgegen sie vollständig zu geniessen und den ersten Intimkontakt mit ihr zu erleben.

7 Ganz schön bist du, meine Freundin, und kein Makel ist an dir.
8 Mit mir vom Libanon herab, meine Braut, mit mir vom Libanon sollst du kommen; vom Gipfel des Amana herab sollst du schauen, vom Gipfel des Senir und Hermon, von den Lagerstätten der Löwen, von den Bergen der Leoparden.

Salomo hält fest, dass alles an ihr wunderschön ist. Seine Zufriedenheit mit seiner Braut ist vollkommen. Begeistert lädt er Sulamith ein, ihn in den Libanon zu begleiten, um Dinge zu sehen und Zeit miteinander zu verbringen.

9 Du hast mir das Herz geraubt, meine Schwester, meine Braut; du hast mir das Herz geraubt mit einem deiner Blicke, mit einer Kette deines Halsschmucks.

Hier wird das Wort "Braut" zum ersten Mal benutzt. Das hebr. Wort stammt von einer Wurzel, welche "durch-bohren" heisst und die Bedeutung enthält von etwas, das zur Vollendung gebracht wurde. Wenn man die beiden Begriffe zusammenbringt, dann bezieht sich das hebräische Wort für "Braut" auf eine Person, die das Ziel ihrer Berufung als Frau erreicht hat, nämlich für ihren Ehemann eine Sexualpartnerin zu sein und damit in perfekter Weise sich selbst und ihn zu vervollkommnen.

10 Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, meine Braut; wie viel besser ist deine Liebe als Wein, und der Duft deiner Salben als alle Gewürze!

An dieser Stelle wird das Wort "dod" für sexuelle Liebe eingeführt, was den Beginn des Vorspiels kennzeichnet. Zuvor konzentrierte sich Salomo auf die äusserliche Schönheit, nun aber beschreibt er die Schönheit ihrer Liebe aus der Erfahrung ihres ersten Intimkontakts.

11 Honigseim träufeln deine Lippen, meine Braut; Honig und Milch ist unter deiner Zunge, und der Duft deiner Gewänder ist wie der Duft des Libanon.

Ihre Lippen werden nicht mehr nur farblich, wie in V 3 beschrieben, sondern durch das körperliche Erlebnis des Küssens: "Honig und Milch ist unter deiner Zunge."

12 Ein verschlossener Garten ist meine Schwester, meine Braut, ein verschlossener Born, eine versiegelte Quelle.

Sulamiths Genitalien werden als "verschlossener Garten", "verschlossener Born (Brunnen)" und "versiegelte Quelle" beschrieben. Symbole für ihre Jungfräulichkeit, Unberührtheit und Reinheit, die nur dem rechtmässigen Partner, Salomo, vorbehalten sind.

13 Was dir entsprosst, ist ein Lustgarten von Granatbäumen samt edlen Früchten, Zyperblumen samt Narden;
14 Narde und Safran, Würzrohr und Zimt, samt allerlei Weihrauchgehölz, Myrrhe und Aloe samt allen vortrefflichsten Gewürzen;
15 eine Gartenquelle, ein Brunnen lebendigen Wassers, und Bäche, die vom Libanon fließen.

Die Beschreibungen vom "entsprossen" (V 13a) und "lebendigen Wassers" (V 15a) symbolisieren innere Quellen der Erregung. V 13b und 14 fokussieren auf Duftpflanzen, die sexuelle Stimulation fördern. Salomo erwähnt die Lubrikation als Folge des Vorspiels und ihrer Erregung.

16 Wache auf, Nordwind, und komm, Südwind: Durchwehe meinen Garten, lass träufeln seine Wohlgerüche! Mein Geliebter komme in seinen Garten und esse die ihm köstliche Frucht.

Der Westwind bringt Regen (1Kö 18,44–45), der Ostwind ist heiss und trocken (Gen 41,23). Der Nordwind reinigt mit einer kalten Brise die Luft (Hiob 37,21-22), und der Südwind bringt Wärme (Hiob 37,17). Daher fördern der Nord- und Südwind das Wachstum, wenn sie zur rechten Zeit kommen und sich abwechseln. Als Folge davon wird der gesamte Garten zu einem Meer von Wohlgeruch, und der Garten selbst verströmt seinen Geruch mit Hilfe von Duftpflanzen. Das Zusammenspiel der Winde symbolisiert hier das Vorspiel, das in rechter Weise und zur rechten Zeit durchgeführt wird und so Sulamiths Garten dazu bringt, seine Gewürze zu verströmen. Das zeigt, dass Sulamiths sexuelle Organe für den Geschlechtsverkehr vollkommen bereit waren. Sie lädt nun Salomo ein, sie sexuell zu geniessen.

1a Ich bin in meinen Garten gekommen, meine Schwester, meine Braut, habe meine Myrrhe gepflückt samt meinem Balsam, habe meine Wabe gegessen samt meinem Honig, meinen Wein getrunken samt meiner Milch.

Auf Sulamiths Einladung hin betritt Salomo seinen Garten, was den Vollzug ihrer Hochzeitsnacht bedeutet. Die erwähnten Gewürze wie Balsam, Myrrhe, Honigwaben, Honig, Wein und Milch, symbolisieren den Höhepunkt sexuellen Genusses.

1b Esst, Freunde; trinkt, und trinkt euch fröhlich, Geliebte!

Der abschliessende Refrain der Töchter Jerusalems "Esst, Freunde; trinkt, und trinkt euch fröhlich, Geliebte!" bekräftigt die eheliche Bindung und lädt das Paar ein, ihre Liebe zu geniessen.



 

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© Bibeltext: Elberfelder Übersetzung (Edition CSV Hückeswagen), © Christliche Schriftenverbreitung, Hückeswagen, alle Rechte vorbehalten, www.csv-bibel.de

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