Kommentar
Micha Kapitel 2
B Verderbtheit des Volkes | 2,1-12
B-1 Die Sünden Judas | 2,1-11
In diesem Kapitel prangerte der Prophet die Sünden des Volkes Juda an, die alle im Widerspruch zum mosaischen Bund standen. Angesichts dieser Auflehnung Gott und Seinem Wort gegenüber, war das göttliche Gericht sowohl unvermeidlich als auch gerecht. Während in Kp. 1 die Vergehen sowohl des Nord- als auch des Südreichs angesprochen wurden, richtete sich Michas Botschaft von nun an überwiegend an die Bewohner Judas.
B-1.1 Sünde und Gericht der Reichen | 2,1-5
1 Wehe denen, die Unheil ersinnen und Böses vorbereiten auf ihren Lagern! Beim Morgenlicht führen sie es aus, weil es in der Macht ihrer Hand steht.
V 1 | Micha warnte diejenigen, die nachts wach liegen und "Unheil ersinnen und Böses vorbereiten", um es dann "beim Morgenlicht" umzusetzen. "Wehe" ihnen, denn sie erwartet Gottes Gericht. Das Wort "Wehe" steht als Ausdruck für ein von Gott verordnetes Gericht (Vgl. Jes 3,9.11; Jer 13,27; Hes 13,3.18; Hos 7,13; Amos 5,18; Hab 2,6; Zeph 2,5). In diesem Kontext waren besonders die Reichen und Wohlhabenden gemeint, da sie über die Macht und Mittel verfügten, ihre ungerechten und sündigen Pläne tatsächlich umzusetzen.
Hier bewahrheitet sich einmal mehr die biblische Wahrheit, dass die Sünde in den Gedanken des Menschen beginnt und "beim Morgenlicht" ausgeführt wird.
2 Und sie begehren Felder und rauben sie, und Häuser und nehmen sie weg; und sie verüben Gewalttat an dem Mann und seinem Haus, an dem Menschen und seinem Erbteil.
V 2 | Die im vorherigen Vers erwähnten Pläne beinhalteten, ihren eigenen Landsleuten Felder, Häuser und sogar ihr Erbe zu rauben (Vgl. 1Kön 21,3; Jes 5,8). Die Reichen und Wohlhabenden verletzten nicht nur das zehnte Gebot – "Du sollst nicht begehren" –, sondern auch das achte Gebot – "Du sollst nicht stehlen" (Vgl. Ex 20,15.17; Lev 19,13; Dt 5,19.21).
Die Worte "sie verüben Gewalttat an dem Mann und seinem Haus" verdeutlichen das Ausmass der Gier und der Ausbeutung. Nicht nur ging es um materiellen Raub, sondern auch um Unterdrückung und Versklavung der armen Familien in Juda.
3 Darum, so spricht der HERR: Siehe, ich ersinne ein Unglück gegen dieses Geschlecht, aus dem ihr eure Hälse nicht ziehen und unter dem ihr nicht aufrecht gehen werdet; denn es ist eine böse Zeit.
V 3 | Der HERR kündigte an, dass er nun seinerseits "Unglück" über sie ersinnt, denn was sie gesät haben, werden sie nun als göttliches Gericht ernten. Damit kündigte der Prophet die Unterwerfung Israels durch die Assyrer, sowie die Eroberung Judas durch die Babylonier an. Sie hatten Raub, Enteignung und Versklavung gesät, nun werden sie dieses in schrecklichster Weise am eigenen Leibe erfahren müssen. Es wird wahrhaft eine "böse Zeit" kommen!
4 An jenem Tag wird man einen Spruch über euch anheben und ein Klagelied anstimmen. „Es ist geschehen!“ wird man sagen. Wir sind ganz und gar verwüstet: Das Erbteil meines Volkes vertauscht er; wie entzieht er es mir! Dem Abtrünnigen verteilt er unsere Felder.
V 4 | Dieser Vers beschreibt den "Tag des Gerichts", an welchem die fremden (abtrünnigen) Mächte (Assyrer oder Babylonier) Zerstörung, Versklavung und Raub über sie bringen werden. Es wird ein Tag der Trauer und äusserster Verzweiflung sein. Sie werden von den Völkern verspottet werden. Sie selbst werden ein Klagelied anstimmen über den Verlust an Segen und Wohlergehen, einschliesslich des Verlusts ihres Landes, das Gott nun anderen geben wird, die sie als "Abtrünnige" bezeichneten.
5 Darum wirst du niemand haben, der in der Versammlung des HERRN die Mess-Schnur wirft, um ein Los zu bestimmen.
V 5 | Das Bild der "Mess-Schnur" weist auf die Praxis der Landaufteilung in Israel hin. Unter der Führung von Josua wurde das verheissene Land unter den Stämmen Israels durch das Losverfahren und mit Hilfe der Mess-Schnur verteilt (Vgl. Jos 13-21). Die Mess-Schnur war also ein "Werkzeug" für das gerechte Zuteilen des Erbes gemäss Gottes Ordnung. Doch niemand wird im Land verbleiben, der dies in der "Versammlung des HERRN" weiterhin tun wird. Der Grund war, dass Gott sein Volk in die Gefangenschaft wegführen und ihr Land ihren Eroberern überlassen wird. So wird sich Gottes Gerechtigkeit erfüllen! Das Volk wird das ernten, was es gesät hatte (Vgl. Hi 4,8; Spr 22,8; Gal 6,7). Sie hatten das Land ihrer Landsleute gierig und unrechtmässig an sich gerissen und so wird Gott ihr Land von ihnen nehmen und es fremden Mächten überlassen.
B-1.2 Sünde und Gericht der falschen Propheten | 2,6-11
6 „Weissagt nicht!“, weissagen sie. Weissagt man nicht jenen, so wird die Schmach nicht weichen.
V 6 | Falsche Propheten versuchten mit den Worten "Weissagt nicht!" Micha und andere wahre Propheten (z.B. Jesaja) zum Schweigen zu bringen. Diese falschen Propheten handelten im Auftrag derjenigen, die Micha in den Versen eins und zwei angesprochen hatte. Jene also, die Böses ersannen und die Armen plünderten. Diese bezahlten die falschen Propheten dafür, das Volk Gottes zu beruhigen und nicht über das bevorstehende Gericht Gottes zu prophezeien. Sie konnten und wollten nicht glauben, dass ihnen die "Schmach" widerfahren wird, aus ihrem Land vertrieben zu werden und dass sie dieselbe "Schmach" erleiden werden, die sie selbst über die Armen und weniger Privilegierten gebracht hatten, indem sie deren Felder, Häuser und Erbe raubten.
Die treuen Propheten Gottes sollten zum Schweigen gebracht werden. Doch wenn das prophetische Wort in Israel nicht verkündet wird, wird das Böse völlig überhandnehmen und entsprechend "wird die Schmach nicht weichen." Dies unterstreicht einmal mehr die Wichtigkeit, Gottes Wort trotz grassierender Irrlehren und Zeitgeist-Tendenzen in seiner Fülle und Wahrheit zu verkündigen (Vgl. 1Thess 2,13; 1Petr 4,11)! Ohne worttreue Verkündigung, wird auch für die Gemeinde des HERRN "die Schmach nicht weichen." Darum schrieb Paulus aus der Todeszelle in Rom: "Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt." (2Tim3,16)
7 Du, Haus Jakob genannt, ist der HERR ungeduldig? Oder sind dies seine Taten? Sind meine Worte nicht gütig gegen den, der aufrichtig wandelt?
V 7 | Nun redete der HERR, um die falschen Propheten zu überführen. Nein, niemand konnte Gott vorwerfen, dass es ihm an Geduld gefehlt hätte! Gottes Verheissung für alle Gläubigen zu allen Zeiten an allen Orten ist: "Sind meine Worte nicht gütig gegen den, der aufrichtig wandelt?"
Diese falschen Propheten verkündeten Teilwahrheiten des Wortes Gottes. Sie verkündigten Gottes Segnungen allein (Vgl. Dt 28,1-14). Doch den Fluch, der über das Volk Gottes kommen wird, wenn sie sich von Seinem Bund abwendeten (Vgl. Dt 28,15-68), erwähnten sie nicht. Wie wichtig ist es, den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen, und nicht nur das, was gerne gehört wird. Sowohl die Güte Gottes als auch die Strenge Gottes soll verkündet und gelebt werden.
8 Aber noch unlängst lehnte sich mein Volk als Feind auf: Vom Oberkleid zieht ihr den Mantel denen ab, die sorglos vorübergehen, vom Kampf abgewandt sind; 9 die Frauen meines Volkes vertreibt ihr aus dem Haus ihrer Wonne, von ihren Kindern nehmt ihr meinen Schmuck für immer.
V 8-9 | In ihrer Sünde erhob sich ein grosser Teil des Volkes wie ein Feind gegen Gott, ohne dabei auf die Schwachen, die Witwen und ihre Kinder Rücksicht zu nehmen. Der Prophet klagte sie an, den Sorglosen ihre Kleider zu rauben, die Frauen aus ihren Häusern zu vertreiben und damit auch den Kindern ihr Erbe zu rauben.
10 Macht euch auf und zieht hin! Denn dieses Land ist der Ruheort nicht, um der Verunreinigung willen, die Verderben bringt, und zwar gewaltiges Verderben.
V 10 | Diese Worte waren an Juda gerichtet, das durch sein Verhalten – soziale Ungerechtigkeit, Götzendienst und moralische Verderbtheit – das Land der Ruhe entweiht hatte. Der Vers bringt zum Ausdruck, dass das Land, das einst als "Ruheort" gedacht war, nun aufgrund der Sünde und des Ungehorsams kein sicherer Zufluchtsort mehr war.
Die Landverheissung war Teil des abrahamitischen Bundes. Ein Land, in dem Gottes Volk unter seiner Herrschaft in Frieden und Segen leben durfte (Vgl. Dt 12,9-10). Doch diese Ruhe war immer an die Treue des Volkes zu Gott und seinen Geboten gebunden. Durch ihre Sünden hatten sie die göttliche Ordnung gebrochen und das Land verunreinigt.
Die Worte "Macht euch auf und zieht hin" haben eine zweifache Bedeutung. Einmal in Bezug auf das kommende Gericht, nämlich, dass Juda aufgrund ihrer Sünde und des fortwährenden Götzendienstes weggeführt werden wird. Auf der anderen Seite ist es zudem ein Aufruf zur Absonderung für die Treuen in Juda. So wie es Jesaja formulierte: "Weicht, weicht, geht von dort hinaus, rührt nichts Unreines an! Geht hinaus aus ihrer Mitte, reinigt euch, die ihr die Geräte des HERRN tragt!" (Jes 52,11) Gleiches gilt für die Gemeinde des HERRN (Vgl. 2Kor 6,17; 2Tim 2,19).
11 Wenn ein Mann da ist, der dem Wind nachgeht und betrügerisch lügt: „Ich will dir weissagen von Wein und von starkem Getränk“, der wird ein Prophet dieses Volkes sein.
V 11 | Mit einer gewissen Ironie beschrieb der Prophet die Art von Propheten, die das Volk in seiner Rebellion bevorzugte, nämlich Propheten, die nicht der Wahrheit verpflichtet waren, sondern ihnen "betrügerisch" das verkündigten, was sie hören wollten. Diese falschen Propheten versprachen Wohlstand, Genuss und Sicherheit ("Wein und starkes Getränk"), obwohl das Volk aufgrund seiner Sünden in Bälde gerichtet werden wird. Die Ironie lag darin, dass Micha aufzeigte, wie das Volk solche Predigten bereitwillig annahm, während es die wahren Propheten – wie Micha selbst –, die Busse und Gehorsam gegenüber Gott forderten, ablehnte. Dieser Vers zeigt, wie tief das Volk geistlich gefallen war. Es suchte nicht nach Gottes Wahrheit, sondern gab sich bereitwillig Betrügern hin, die sie in ihren sündigen Begierden und in ihrem Götzendienst bestätigten.
In gleicher Weise warnte Paulus im NT vor genau einer solchen Haltung: "Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt." (2Tim 4,3)
B-2 Der Überrest Israels | 2,12-13
12 Sammeln werde ich dich, Jakob, ganz sammeln; versammeln, ja, versammeln werde ich den Überrest Israels. Ich werde ihn zusammenbringen wie die Schafe von Bozra, wie eine Herde inmitten ihrer Weide; sie werden lärmen vor Menge der Menschen. 13 Der Durchbrecher zieht herauf vor ihnen her; sie brechen durch und ziehen durchs Tor und gehen durch es hinaus; und ihr König zieht vor ihnen her und der HERR an ihrer Spitze.
V 12-13 | Trotz des angekündigten und gewissen Gerichts, verhiess der HERR Seinem Volk einen zukünftigen Segen. Auch wenn diese Verheissung auf die Rückführung des Überrests aus dem babylonischen Exil zutrifft, wird sie in ihrer primären Bedeutung erst in einer ferne Zukunft endgültig erfüllt werden. Es wird jener Tag sein, an dem der HERR Jesus als König vom Himmel herkommen wird und ein gläubiger jüdischer Überrest in Seinem Friedensreich einen wahren und bleibenden Ruheort finden wird. Der HERR Jesus wird die Seinen sammeln, wie ein Hirte seine Schafe sammelt.
Der HERR Jesus ist der "Durchbrecher", also derjenige, der alle Hindernisse, die dieser Sammlung im Wege stehen werden, mit grosser Gewalt vernichten wird. ER ist das "Tor" (Tür) zur Freiheit des gläubigen Überrestes und wird als "König" und "HERR" in Ewigkeit über Sein Volk herrschen und ihnen Ruhe und Frieden geben.
Für alle Christusgläubigen sind diese Verse eine Verheissung auf Seine Treue und Seine Fürsorge. Wie ein Hirte seine Schafe sammelt, so ruft auch Christus Menschen aus allen Nationen zu einer Christusnachfolge und bringt sie an den einen Ort der Ruhe. Christus Jesus ist der "gute Hirte" (Joh 10,11), der sein Leben für die Schafe gab und der Seinen Nachfolgern verheisst: "Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben." (Mt 11,28)
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