Micha Kapitel 1

Autor: Briggeler Reinhard
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A Kommendes Gericht über Sein Volk | 1,1-16

A-1 Das Wort des Herrn an Micha | 1,1

1 Das Wort des HERRN, das an Micha, den Moraschtiter, erging in den Tagen Jothams, Ahas’ und Hiskias, der Könige von Juda, das er schaute über Samaria und Jerusalem.

V 1 | Der erste Vers des Michabuches stellt eine klassische Einleitung dar, wie sie bei den Prophetenbüchern des AT häufig vorkommt. Er gibt die Autorenschaft, die zeitliche Einordnung und die Zielgruppe der Prophetie an. Die Botschaft, die Micha verkündeteentsprang nicht seinen eigenen Gedanken oder Interpretationen, sondern war vom Heiligen Geist inspiriert. Der Begriff "Wort des HERRN" (hebr. Dabar JHWH) wird oft verwendet (Vgl. Jer 1,2; Hos 1,1).

Die Erwähnung von Samaria (Hauptstadt des Nordreichs Israel) und Jerusalem (Hauptstadt des Südreichs Juda) zeigt, dass Michas Botschaft sowohl an das Nord- als auch an das Südreich gerichtet war. Dies ist von Bedeutung, da das Nordreich kurz vor seiner Zerstörung durch die Assyrer im Jahr 722 v.Chr. stand, während Juda 586 v.Chr. von den Babyloniern zerstört wurde.

A-2 Kommendes Gericht über Israel | 1,2-7

Dies ist die erste von drei Botschaften, die das Michabuch ausmachen (Vgl. Kp. 3-5; 6-7). Jede der drei Hauptbotschaften beginnt mit dem hebräischen Wort " schma‘", das mit "Höre" übersetzt wird (Vgl. Dt 6,4). Im biblischen Kontext bedeutet das Wort weniger das eigentliche akustische Hören, sondern viel mehr das Tun des Gehörten, d.h. dieses Wort ist jeweils ein Aufruf zum Gehorsam Gott und Seinem Wort gegenüber.

Dieser einleitende Abschnitt gibt den Ton vor und bildet den Hintergrund für den Rest des Buches. Alle Menschen sollten die Anklage Gottes gegen sein Volk hören (V 2). Gericht wird kommen (V 3-4), es wird sowohl gerecht (V 5) als auch unerbittlich sein (V 6-7).

2 Hört, ihr Völker alle, höre zu, du Erde und ihre Fülle! Und der Herr, HERR, sei zum Zeugen gegen euch, der Herr aus seinem heiligen Palast! 

V 2 | Micha rief aus: Hört, hört! Ähnlich einem Gerichtsschreiber, der die Geschworenen eines Gerichtssaals laut auffordert, der bevorstehenden Aussage Aufmerksamkeit zu schenken. Der Herr HERR (Adonai JHWH) war bereit, als Zeuge gegen Sein Volk aufzutreten. Dazu wird der Herr HERR aus "seinem heiligen Palast" kommen und gegen Sein Volk zeugen. Der Palast bezieht sich auf den Ort des Richterthrons Gottes.

3 Denn siehe, der HERR geht aus von seiner Stätte und kommt herab und schreitet einher auf den Höhen der Erde. 4 Und die Berge zerschmelzen unter ihm, und die Täler spalten sich wie das Wachs vor dem Feuer, wie Wasser, ausgegossen am Abhang. 

V 3-4 | Der HERR war fest entschlossen, in das Geschehen seines Volkes einzugreifen. ER ist nicht nur erhaben und transzendent, sondern auch unmittelbar in der Welt präsent – eine zentrale Wahrheit der AT-Theologie. Wenn Er kommen wird, und das wird ER, dann wird die gesamte Erde (Berge) angesichts Seiner gewaltigen Macht "zerschmelzen" und "sich spalten". Vor Seiner Allgewalt wird der Erdkreis erzittern! Wird dieses gewaltige und überaus furchteinflössende Herabkommen des Herrn HERRN bei Seinem Volk Gottesfurcht wirken? Um hiermit die Antwort schon vorweg zu nehmen: Ja, aber leider nur bei einem kleinen Überrest.

5 Das alles wegen der Übertretung Jakobs und wegen der Sünden des Hauses Israel. Von wem geht die Übertretung Jakobs aus? Ist es nicht Samaria? Und von wem die Höhen Judas? Ist es nicht Jerusalem? 

V 5 | Was war der Grund des furchteinflössenden Herabkommens des HERRN? Es war "wegen der Übertretung Jakobs und wegen der Sünden des Hauses Israel." Dieser Vers zeigt klar den Grund für Gottes Gericht: die Sünde Seines Volkes. "Übertretung" meint die Rebellion gegen Gottes Gesetz, während "Sünde" die Verfehlungen meint. Samaria, die Hauptstadt Israels, repräsentierte die Verderbtheit und den Götzendienst des Nordreichs. Ebenso wurde Jerusalem, die Hauptstadt Judas, für seinen eigenen Götzendienst angeklagt. Diese beiden Hauptstädte waren nicht Vorbilder für ein gottgemässes Leben und Heiligkeit, sondern traurige Beispiele von Götzendienst und Gottlosigkeit.

6 So werde ich Samaria zu einem Steinhaufen des Feldes, zu Weinbergpflanzungen machen, und ich werde ihre Steine ins Tal hinabstürzen und ihre Grundfesten entblößen. 

V 6 | Israels Hauptstadt Samaria lag erhoben auf einem Hügel. Doch nun kündigte Micha die Folgen von Gottes Gericht an. Samaria wird "zu einem Steinhaufen des Feldes" werden. Micha beschrieb ein Bild völliger Zerstörung. Die prächtigen Gebäude und Festungen Samarias werden zu einem Schutthaufen werden und zu einem Ort von "Weinbergpflanzungen". Dies zeigte auf, dass Samaria und die Umgegend nur noch für landwirtschaftliche Zwecke genutzt werden sollten und nicht mehr als Stadt. Selbst die Grundmauern, die üblicherweise bestehen blieben, werden dem Erdboden gleichgemacht werden. Diese Prophezeiung erfüllte sich mit der assyrischen Eroberung Samarias im Jahr 722 v. Chr.

7 Und alle ihre geschnitzten Bilder werden zerschlagen und alle ihre Hurengeschenke mit Feuer verbrannt werden, und ich werde alle ihre Götzenbilder zur Wüste machen; denn sie hat sie durch Hurenlohn gesammelt, und zum Hurenlohn sollen sie wieder werden.

V 7 | Der HERR wird die Götzen Samarias, die "geschnitzten Bilder zerschmettern" und damit beweisen, dass diese Götzen völlig nichtig sind, denn sie werden weder sich selbst schützen noch anderen helfen können. Alle kostbaren Tempelgaben ("Hurengeschenke") werden mit Feuer verbrannt werden. Die Assyrer werden ihre Tempelgaben zerstören, und sie für ihren eigenen Götzendienst verwenden.

A-3 Klage über das kommende Gericht | 1,8-16

A-3.1 Michas Trauer | 1,8-9

8 Darum will ich klagen und heulen, will entblößt und nackt umhergehen; ich will eine Wehklage halten wie die Schakale und eine Trauer wie die Strauße. 

V 8 | Das bevorstehende Gericht löste bei dem Propheten tiefe Trauer aus. Dies sagt viel über seinen Charakter aus. Die prophetische Ankündigung der endgültigen Vernichtung Samarias und die Zerstörung vieler Städte Judas war für ihn Anlass zu grosser Trauer. Die drückte er aus, indem er barfuss und nackt umherging – eine in seiner Kultur übliche Weise, Trauer zu zeigen (Vgl. 2Sam 15,30; Jes 20,2; 22,12; Jer 25,34). Er verglich sich selbst mit den Klagen der Schakale und der Trauer der Strausse. Schakale sind bekannt für ihr klagendendes Heulen, das an Schmerz und Leid erinnert. Strausse hingegen verhalten sich in Gefahr oder Not auffällig. Beides war Ausdruck der Trauer des Propheten Micha. Alle sollten es hören! Alle sollte es sehen!

9 Denn ihre Schläge sind tödlich; denn es kommt bis Juda, es reicht bis an das Tor meines Volkes, bis an Jerusalem.

V 9 | Das Gericht über Samaria wird tödlich sein! Gottes Gericht über Samaria erfüllte sich 722 v.Chr., als die Assyrer unter König Salmanassar V. und später Sargon II. die Stadt einnahmen und das Nordreich vernichteten. Doch das Gericht begrenzte sich nicht nur auf Samaria und das Nordreich, sondern auch Juda wird nicht verschont bleiben. Dies geschah um 713 v.Chr., als König Hiskia sich weigerte, weiterhin Tributzahlungen (2Kö 18,7) an Assyrien zu leisten, in der fatalen Meinung, in Ägypten einen starken Alliierten gefunden zu haben. Doch in der Folge überfiel der assyrische König Sanherib viele judäische Städte, plünderte sie und verschleppte viel Volk zurück nach Assyrien. Während er Lachis belagerte, sandte er einige Truppen aus, um auch Jerusalem zu belagern und einzunehmen (2Kö 18,17-19,8; Jes 36,2-37,8), doch Gott griff ein und Jerusalem wurde gerettet (2Kön 19).

A-3.2 Michas Aufruf zur Trauer | 1,10-16

Nun folgt ein Klagelied mit vielen Wortspielen, um die Verwüstung zu beschreiben, die Gott über Juda brachte. Er wählte Städte und Dörfer in der Nähe seiner eigenen Heimatstadt in der Schefela Judas aus, deren Namen Ähnlichkeiten mit den Auswirkungen der kommenden Invasion hatten. Angeordnet sind die erwähnten Städte von Norden nach Süden, um anzuzeigen von wo das assyrische Heer kommen wird. Der Abschnitt endet mit einem eindringlichen Aufruf an die Bewohner Judas zur Trauer.

 

Der Beginn dieses Abschnitts erinnert an Davids Klage über den Tod Sauls und endet mit der Erwähnung der Höhle Adullam, in der David vor Saul Zuflucht suchte. Diese dunklen Momente in Davids Leben werfen einen düsteren Schatten auf die Beschreibung des Untergangs der aufgelisteten Städte. Es ist, als hätte Micha das baldige und langanhaltende Ende der davidischen Monarchie beschrieben. Es scheint, als hätte Micha schon ca. 125 Jahre vor Jeremias Totenklage (Klagelieder, 586 v.Chr.), eine Totenklage über Jerusalem und Juda und damit über das (vorläufige) Ende der davidischen Monarchie gehalten.

10 Berichtet es nicht in Gat, weint nur nicht! In Beth-Leaphra wälze ich mich im Staub. 11 Zieh hin, Bewohnerin von Schaphir, in schimpflicher Blöße; die Bewohnerin von Zaanan ist nicht ausgezogen; die Wehklage Beth-Ezels wird dessen Rastort von euch wegnehmen. 12 Denn die Bewohnerin von Marot zittert wegen ihrer Habe; denn vonseiten des HERRN ist Unglück zum Tor Jerusalems herabgekommen. 13 Spanne die Renner an den Wagen, Bewohnerin von Lachis! Der Anfang der Sünde war es für die Tochter Zion; denn in dir sind die Übertretungen Israels gefunden worden. 14 Darum wirst du Moreschet-Gat ein Entlassungsgeschenk geben. Die Häuser von Achsib werden zu einem trügerischen Bach für die Könige von Israel. 15 Noch werde ich den Besitznehmer dir bringen, Bewohnerin von Marescha. Bis Adullam wird die Herrlichkeit Israels kommen. 16 Mache dich kahl und schere dich um der Kinder deiner Wonne willen, mache deine Glatze breit wie die des Geiers; denn sie sind von dir weggeführt.

V 10-14 | Diese Verse könnten wie folgt umschrieben werden:

10 Weint nicht in Wein-Stadt (Gat), in Staubstadt (Beth-Leaphra) wälze dich im Staub.

11a In Schönstadt ("Schaphir" bedeutet "schön") sei Nacktheit und Schande;

11b und in Auszugs-Stadt (gemäss der Bedeutung von Zaanan) zieht nicht aus.

11c Die Wehklage vom Haus der Trennung (Beth-Ezels) nimmt sie weg

12 und die Bewohnerin von Marot (Bitterkeiten) wartet besorgt auf Gutes, doch vom Herrn ist Unglück zum Tor Jerusalems herabgekommen.

13 Spanne die Renner an den Wagen, Bewohnerin von Rennstadt (Lachis)!

14 Darum muss du Moreschet-Gat (Besitztum von Gat) ein Entlassungsgeschenk geben und die Häuser von Lügenstadt (Achsib) werden zu einem Lügenbach (Vadi)."

V 15 | Der HERR wird jemanden über die Bewohner von Marescha ("Besitzer") bringen, der sie in Besitz nehmen wird. Die "Herrlichkeit Israels", vermutlich sind damit ihre Anführer, die Obersten und die königliche Familie gemeint, werden beschämt nach Adullam fliehen, so wie es einst David getan hatte (1Sam 22,1).

V 16 | Der Prophet forderte die Bewohner Judas eindringlich auf, angesichts der kommenden Katastrophe auch ihrerseits zu trauern und zu klagen. Die Anweisung, sich kahl zu scheren, war Ausdruck tiefster Trauer und Demütigung (Vgl. Jer 16,6; Amos 8,10). Micha forderte das Volk auf, ihr Leid nicht zurückzuhalten, sondern es offen und sichtbar für alle zu zeigen – denn das, was sie erwartete, war verheerend.



 

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© Bibeltext: Elberfelder Übersetzung (Edition CSV Hückeswagen), © Christliche Schriftenverbreitung, Hückeswagen, alle Rechte vorbehalten, www.csv-bibel.de

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