Esther Kapitel 6

Autor: Briggeler Reinhard
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Einleitung | Übersicht

Esther 6 Übersicht © Reinhard Briggeler

Dieser Abschnitt markiert den Beginn einer weiteren erstaunlichen Wendung in der Esthererzählung. Bis zu diesem Moment scheint Hamans Plan, die Juden zu vernichten, als unaufhaltsam. Doch die unerwartete Erinnerung des Königs an Mordechais Wohltat löst eine Kette von Ereignissen aus, die letztendlich zur Rettung der Juden und zum Fall Hamans führen werden.

Es ist dieses sechste Kapitel, dass den Mittel- und Höhepunkt des Estherbuches bildet. Die Erhöhung und Ehrung Mordechai wirft einen langen Schatten auf das zweite Kommen des Herrn Jesus in Herrlichkeit. Während der Herr Jesus bei Seinem ersten Kommen gekommen ist in Bezug auf die Sünde des Menschen, wird Er mit Seinem zweiten Kommen die ewige Königsherrschaft antreten. Diese prophetische Vorausschau auf den noch kommenden Messias der Juden, lässt dieses Kapitel in der Bibel hell aufleuchten und spricht von einer zukünftigen Rettung von ganz Israel!

1- 3 | Schlaflosigkeit des Königs

1 In jener Nacht floh den König der Schlaf; und er befahl, das Buch der Denkwürdigkeiten der Chroniken zu bringen; und sie wurden vor dem König gelesen. 2 Da fand sich geschrieben, dass Mordechai über Bigtana und Teresch, die beiden Hofbeamten des Königs, von denen, die die Schwelle hüteten, berichtet hatte, dass sie danach getrachtet hätten, Hand an den König Ahasveros zu legen. 3 Und der König sprach: Welche Ehre und Auszeichnung ist Mordechai dafür erwiesen worden? Und die Diener des Königs, die ihn bedienten, sprachen: Es ist ihm nichts erwiesen worden.

Diese nächtliche Begebenheit, in der der König von Schlaflosigkeit geplagt wurde, muss als göttliche Vorsehung interpretiert werden. Natürlich ist es kein Zufall, dass gerade in dem Moment, in dem Haman plante, Mordechai zu töten, der König an Mordechais gute Tat erinnert wurde. Dies passt zum zentralen Thema des Buches Esther: Gott wirkt im Verborgenen, um sein Volk zu schützen und zu retten, auch wenn sein Name nie explizit genannt wird.

Es ist Gottes gnädige Absicht, dem aufmerksamen Bibelleser die Augen zu öffnen, damit er die Wunder göttlicher Vorsehung und Führung erkennen kann. Auf faszinierende Weise lenkt und fügt er Dinge zusammen, was gerade in jener Nacht offenkundig wurde. Die Tat Mordechais lag schon fünf Jahre zurück, dennoch musste die Erinnerung an diese Wohltat am König, bis zu jenem Zeitpunkt warten - so wie wir schon festgehalten haben, dass alles Seine Zeit hat! Denn es ging nicht einfach nur darum, Mordechai zu ehren, sondern auch Haman musste für seine bösen Taten vor Gott und den Juden fallen.

Aus diesem Grund liess Gott es zu, dass die Tat Mordechais zunächst in Vergessenheit geriet, um sie genau in jener Nacht, zu Seiner Zeit, hervorzuholen. Der König, der über 127 Provinzen, über ebenso vielen Fürsten und über ein gewaltiges Heer herrschte, hatte keine Macht über seinen Schlaf. Gott verwehrte ihm schlichtweg den Schlaf. Gottes Plan für den König in jener Nacht war es, von Schlaflosigkeit geplagt, die Chroniken der Meder und Perser zu lesen. Diese Chroniken beinhalteten abertausende von Einträgen, doch er las genau jenen, der von der Wohltat Mordechais berichtete. Es hat halt eben alles Seine Zeit!

Der Leser erfährt, wie der König sich in jener Nacht daran erinnerte, jemanden zu ehren, dem er enorm viel verdankte. Doch war es dem König nicht einmal bewusst, ob der Mann, der ihm das Leben gerettet hatte, bereits geehrt worden ist. Seine Unwissenheit offenbart viel über den König und seinen Charakter, es scheint, dass es ihm egal gewesen war. Nun kam ihm der Gedanke, dass dieser Mann, Mordechai, geehrt werden sollte. In diesem Moment kreuzen sich die Wünsche zweier Personen bezüglich desselben Mannes. Der König, Ahasveros, hegte den Wunsch, Mordechai grösstmöglich zu ehren, während Haman, der Feind der Juden, den Wunsch hegte, Mordechai grösstmöglich zu demütigen. Beide Mächtigen haben ihre Wunschvorstellungen bezüglich Mordechai, jedoch aus völlig unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Absichten.

4 - 9 | Des Königs Vorgehen, um Mordechai zu ehren

4 Da sprach der König: Wer ist im Hof? Und Haman war eben in den äußeren Hof des Königshauses gekommen, um dem König zu sagen, man möge Mordechai an den Baum hängen, den er für ihn bereitet hatte. 5 Und die Diener des Königs sprachen zu ihm: Siehe, Haman steht im Hof. Und der König sprach: Er komme herein! 6 Und Haman kam herein. Und der König sprach zu ihm: Was ist dem Mann zu tun, an dessen Ehre der König Gefallen hat? Da dachte Haman in seinem Herzen: Wem anders als mir sollte der König Ehre zu erweisen wünschen? 7 Und Haman sprach zum König: Der Mann, den der König zu ehren wünscht – 8 man bringe ein königliches Kleid, womit der König sich kleidet, und das Pferd, auf dem der König reitet und auf dessen Kopf die königliche Krone gesetzt wird; 9 und man übergebe das Kleid und das Pferd den Händen eines der vornehmsten Fürsten des Königs; und man bekleide den Mann, den der König zu ehren wünscht, und man lasse ihn auf dem Pferd durch die Straßen der Stadt reiten und rufe vor ihm her: So wird dem Mann getan, den der König zu ehren wünscht!

Bevor der König jedoch Mordechai belohnen konnte, kam Haman in den Hof des Königs, um die Erlaubnis zu erbitten, Mordechai zu hängen. Dieser Zeitpunkt zeigt die ironische Wendung der Ereignisse und Gottes Wirken zur Rettung Seines Volkes. Buchstäblich auf den letzten Drücker wendet Gott das Verderben von den Seinen ab. Paulus schrieb im Hebräerbrief: "Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe." (Hebr 4,16)

Als Haman vom König gefragt wurde, was mit dem Mann geschehen soll, den der König ehren möchte, dachte Haman in seinem unermesslichen Hochmut, dass der König ihn meinte. Haman schlug eine aussergewöhnliche Ehrung vor, die für einen König angemessen war: ein königliches Gewand, das der König selbst getragen hat, und ein Pferd, auf dem der König geritten war, samt einer königlichen Krone auf seinem Kopf. Haman empfahl, dass dieser Mann von einem der edelsten Fürsten des Königs durch die Stadt geführt wird, als Anerkennung seiner Wertschätzung durch den König. Dieser Vorschlag widerspiegelte Hamans stolzes, überhebliches und nach Macht gierendes Herz.

 

10 - 11 | Mordechais Ehrung

10 Da sprach der König zu Haman: Eile, nimm das Kleid und das Pferd, wie du gesagt hast, und tu so mit Mordechai, dem Juden, der im Tor des Königs sitzt; lass nichts ausfallen von allem, was du gesagt hast. 11 Und Haman nahm das Kleid und das Pferd, und er bekleidete Mordechai und ließ ihn durch die Straßen der Stadt reiten und rief vor ihm her: So wird dem Mann getan, den der König zu ehren wünscht!

Nun kam es zu einer nächsten dramatischen Wendung, denn der König befahl Haman all das, was er vorgeschlagen hatte, für Mordechai, den Juden, zu tun. Ausgerechnet für jenen Mann, den Haman so sehr verabscheute und vernichten wollte. Diese Wendung ist nicht nur eine öffentliche Anerkennung für Mordechais frühere Tat zum Schutz des Königs, sondern auch eine göttliche Ironie[1], bei der Haman gezwungen wurde, den Mann zu ehren, den er töten wollte.

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[1] Dieser Abschnitt ist reich an göttlicher Ironie. Haman wurde befohlen Mordechai zu ehren, den er eigentlich an einem fünfzig Ellen hohen Galgen aufhängen wollte. Der König war sich dessen nicht bewusst, aber ein Hoher wacht über die Hohen. Nur der Leser kann die göttliche Ironie dahinter erfahren. Die Ironie, dass Haman befohlen wurde, Mordechai zu ehren, den er hängen lassen wollte, ist greifbar. Sowohl der König als auch Haman wollten Mordechai "erhöhen". Der Erste zur Ehre, der Zweite zum Tode. Der Zweite musste seine Wunsch-Art der "Erhöhung" am Galgen selbst erleben. Hamans Hass auf Mordechai ersann sich das Werkzeug seines eigenen Untergangs - welche Ironie des Schicksals! Lektion: Das Böse im Herzen der Ungläubigen wird sich gnadenlos gegen sie wenden und zum unvermeidlichen Fall führen, denn "Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade". (1Petr 5,5b) und "Wer eine Grube gräbt, fällt hinein; und wer einen Stein wälzt, auf den kehrt er zurück." (Spr 26,27)

12 - 14 | Mordechais Zeit läuft ab

12 Und Mordechai kehrte zum Tor des Königs zurück. Haman aber eilte in sein Haus, traurig und mit verhülltem Haupt. 13 Und Haman erzählte seiner Frau Seresh und allen seinen Freunden alles, was ihm begegnet war. Da sprachen seine Weisen und seine Frau Seresh zu ihm: Wenn Mordechai, vor dem du zu fallen angefangen hast, vom Geschlecht der Juden ist, so wirst du nichts gegen ihn vermögen, sondern du wirst ganz und gar vor ihm fallen. 14 Während sie noch mit ihm redeten, kamen die Hofbeamten des Königs herbei und führten Haman unverzüglich zu dem Mahl, das Esther bereitet hatte.

Mordechai kehrte, nachdem er vom König geehrt worden war, bescheiden an seinen Platz im Tor des Königs zurück. Er sah sich in keinerlei Weise veranlasst, in Hochmut zu verfallen. Jesus Christus sagte von sich selbst: "Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen." (Mt 11,29)

Haman hingegen, der gerade Mordechai durch die Stadt führen musste, was eine tiefsitzende Demütigung für ihn gewesen war, eilte traurig und mit verhülltem Kopf nach Hause. Diese Verhüllung seines Kopfes ist ein Zeichen tiefster Scham und Niederlage. Haman suchte Trost bei seiner Familie und Freunden, fand jedoch das Gegenteil. Die Worte seiner Frau Seresh und seiner Freunde waren prophetisch und wiesen auf die unausweichliche Niederlage Hamans hin. Sie erkannten: "Wenn Mordechai, vor dem du zu fallen angefangen hast, vom Geschlecht der Juden ist, so wirst du nichts gegen ihn vermögen, sondern du wirst ganz und gar vor ihm fallen." (V13b) Sie mussten anerkennen, dass Haman trotz seiner scheinbaren Macht und seiner bösartigen Intrigen unvermeidlich scheitern wird.

Während Haman noch bei seiner Familie und seinen Freunden war, suchten ihn die Hofbeamten des Königs auf, um ihn eilig zum zweiten Festmahl zu bringen, das Esther vorbereitet hatte. Dieses Mahl war der Ort, an dem Esther ihre Bitte vor den König bringen wird, was letztlich zum endgültigen Fall Hamans führen wird. Die Dringlichkeit, mit der die Hofbeamten Haman abholten, symbolisiert das baldige und endgültige Gericht über Haman, den Feind der Juden. Die Zeit Hamans läuft in Bälde ab. Mögen noch viele Menschen zu einem persönlichen Glauben an den Herrn Jesus finden, solange noch Zeit dafür ist, denn das Gericht Gottes ist nahe!



 

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© Bibeltext: Elberfelder Übersetzung (Edition CSV Hückeswagen), © Christliche Schriftenverbreitung, Hückeswagen, alle Rechte vorbehalten, www.csv-bibel.de

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