Esther Kapitel 7

Autor: Briggeler Reinhard
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Einleitung

In diesem Kapitel wird dem Leser vor Augen geführt, wie Gott alle Dinge lenkt. Nun wird es sonnenklar, warum die Wohltat Mordechais erst jetzt dem König in Erinnerung gerufen wurde. Dies geschah darum, um den Namen Mordechai, dem Juden, dem König in einem äusserst positiven Licht ins Gedächtnis zu rufen. Denn nun stand Esther kurz davor, sich für das Wohl ihres Volkes, den Juden einzusetzen. So war der König bereits im Vorfeld positiv darauf eingestimmt, diesem Volk nun wohlwollend Recht zu sprechen. Gott lenkt alle Dinge gemäss Seiner göttlichen Vorsehung und seines unabänderbaren Ratschlusses!

1- 6a | Esther enthüllt Hamans Plan beim zweiten Mahl

1 Und der König und Haman kamen zum Gelage bei der Königin Esther. 2 Und der König sprach zu Esther auch am zweiten Tag beim Weingelage: Was ist deine Bitte, Königin Esther? Und sie soll dir gewährt werden. Und was ist dein Begehr? Bis zur Hälfte des Königreichs, und es soll geschehen. 3 Da antwortete die Königin Esther und sprach: Wenn ich Gnade gefunden habe in deinen Augen, o König, und wenn es der König für gut hält, so möge mir mein Leben geschenkt werden auf meine Bitte hin, und mein Volk auf mein Begehren hin. 4 Denn wir sind verkauft, ich und mein Volk, um vertilgt, ermordet und umgebracht zu werden; und wenn wir zu Knechten und Mägden verkauft worden wären, so hätte ich geschwiegen, obgleich der Bedränger nicht imstande wäre, den Schaden des Königs zu ersetzen. 5 Da sprach der König Ahasveros und sagte zur Königin Esther: Wer ist der, und wo ist der, den sein Herz erfüllt hat, so etwas zu tun? 6 Und Esther sprach: Der Bedränger und Feind ist dieser böse Haman!

Der Fall Hamans stand nun kurz bevor. Wie von Esther angekündigt, lud sie Ahasveros und Haman zu einem zweiten Festmahl ein. Der König bot ihr erneut bis zur Hälfte seines Königreichs an, ein Zeichen seines Wohlwollens und seiner Grosszügigkeit ihrem Wunsch gegenüber. Nun war alles vorbereitet, sei es durch Fasten und Gebet, aber auch durch vorbereitete Herzen. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, ihre Bitte vor den König zu bringen und um ihr Leben und das des Volkes zu bitten. Esther begann ihre Bitte bedacht, d.h. mit einer demütigen und respektvollen Anrede, was ihre Weisheit und ihr Verständnis widerspiegelt. Ihre Worte waren sorgfältig gewählt; sie präsentierte ihre Bitte nicht als Anklage gegen den König für das erlassene Edikt, sondern als eine persönliche Bitte um Gnade und Mitgefühl. Esther nutzte ihre Position und ihren Einfluss am Hof, um eine Veränderung herbeizuführen, ohne den König direkt herauszufordern.

Stufenweise enthüllte Esther die dramatische Situation, in der sie und ihr Volk sich befanden. Esther schilderte dem König die drohende Vernichtung ihres Volkes, was ihre Bitte umso dringlicher machte. Ihre Worte "denn wir sind verkauft" bezogen sich auf Hamans Plan, alle Juden im Persischen Reich auszulöschen. Ungeschminkt legte Esther offen, dass sie und ihr Volk zum Tode verurteilt wurden. Sie betonte, dass sie nicht interveniert hätte, wenn sie und ihr Volk lediglich als Sklaven verkauft worden wären, was ihre aktuelle Lage in einen noch drastischeren Kontext stellte. In ihrem Vorgehen machte Esther dem König deutlich, dass die drohende Vernichtung ihres Volkes eine ungerechtfertigte und unmoralische Handlung war.

Als König Ahasveros entsetzt nach dem Verantwortlichen für dieses Komplott fragte, nannte Esther direkt und unverblümt Haman als den Übeltäter: "Der Bedränger und Feind ist dieser böse Haman!" (V6a) Diese Enthüllung ist der Höhepunkt des zweiten Festmahls und stellt eine dramatische Umkehr der Machtverhältnisse dar. Haman, der einst nach Macht über Mordechai und das jüdische Volk strebte, wurde nun vor dem König blossgestellt. Esthers Mut, die Wahrheit zu enthüllen und Haman zu beschuldigen, zeigt ihre Entschlossenheit und ihren übernatürlichen Glauben an Gott.

"Der Bedränger und Feind ist dieser böse Haman!" (V6a) Vermutlich war es genau hier, wo Haman das erste Mal gesagt wurde, was und wer er tatsächlich war. Er liess sich gerne von allen umschmeicheln und dachte von sich der Ehrenhafteste von allen zu sein. Möglicherweise gelang es ihm, sich und auch andere zu täuschen, doch nun spricht die Königin Esther das wahre Urteil über ihn – Haman war ein Bedränger, ein Feind und ein Böser!

Auch der Christusgläubige tendiert sich höher zu achten als es sich gebührt. Natürlich kann er sich selbst einreden, wer oder was er ist und dabei nicht nur sich selbst, sondern auch andere täuschen. Doch es kommt der Tag, an dem alle Gläubigen vor dem Richterstuhl Christi erscheinen müssen und Gott alles offenbar machen wird. Darum mahnte Paulus die Korinther: "So urteilt nicht irgendetwas vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Überlegungen der Herzen offenbaren wird; und dann wird einem jeden sein Lob werden von Gott."  (1Kor 4,5)

Mögen alle Christusgläubigen der weisen Worten Agurs folgen, die besagen: "Worte Agurs, des Sohnes Jakes, der Ausspruch. Es spricht der Mann zu Ithiel, zu Ithiel und Ukal: 2 Ja, ich bin unvernünftiger als irgendeiner, und Menschenverstand habe ich nicht. 3 Und Weisheit habe ich nicht gelernt, dass ich Erkenntnis des Heiligen besässe." (V 1-3) Agur begann seine Sprüchesammlung mit Worten tiefster Demut, was ein Markenzeichen göttlicher Weisheit ist. Göttliche Weisheit bläht sich nicht auf! Er sah sich als ein Niemand, der allein in Gott seinen Wert besass. Er wusste, dass seine Aussprüche von Gott inspiriert waren, doch dies blähte sein Ego nicht auf! Je mehr er Gott erkannte, desto mehr erkannte er, wie viel er nicht wusste. So sagte er über sich selbst: "Ich bin unvernünftiger als irgendeiner, und Menschenverstand habe ich nicht." Wie aussergewöhnlich!

6b - 8a | Hamans Enthüllung und seine Demütigung vor Königin Esther

6b Da erschrak Haman vor dem König und der Königin. 7 Und der König stand in seinem Grimm vom Weingelage auf und ging in den Garten des Palastes. Haman aber blieb zurück, um bei der Königin Esther für sein Leben zu bitten; denn er sah, dass das Unglück gegen ihn beschlossen war vonseiten des Königs. 8 Und als der König aus dem Garten des Palastes in das Haus des Weingelages zurückkam, da war Haman auf das Polster gesunken, auf dem Esther saß. Da sprach der König: Will er gar der Königin Gewalt antun bei mir im Haus?

Der König Ahasveros reagierte überaus zornig auf Esthers Enthüllungen, sodass er sogar den Raum verlassen musste, um sich zu beruhigen. Haman erkannte sofort, dass sein Schicksal besiegelt war. In seiner Verzweiflung wandte er sich an Esther, die Jüdin, um bei ihr Gnade zu erflehen. Um sein Leben zu retten, war er nun bereit, sich sogar vor einer Jüdin niederzuwerfen – eine Handlung, die unter "normalen" Umständen für ihn undenkbar gewesen wäre, insbesondere vor einer Frau und noch spezifischer vor einer jüdischen Frau. Doch in seiner Verzweiflung, sein eigenes Leben irgendwie zu retten, waren ihm solche Überlegungen nun völlig gleichgültig. Das Verhalten Hamans symbolisiert eine zukünftige Wendung, bei der die Nationen, die einst Bedränger und Feinde der Juden waren, sich vor ihnen niederwerfen werden, wie es in Jes 60,14 und Offb 3,9 prophezeit wird.

Als der König wiederum eintrat, sah er, wie sich Haman auf das Polster gelegt hatte, auf dem die Königin Esther sass. Diese Handlung des Haman interpretierte der König sofort als unangemessen und respektlos, insbesondere da es den Anschein erweckte, als wolle Haman Gewalt gegen die Königin ausüben und das noch im königlichen Palast. Diese Szene offenbart einmal mehr das sprunghafte, unberechenbare und launische Wesen des Königs. Noch vor Kurzem nahm der König alles, was Haman sagte, wohlwollend auf, ohne jeglichen Verdacht. Doch jetzt, ganz gleich was Haman tat, der König begegnete ihm mit Misstrauen und legte alles, was er tat, negativ aus. Es war offensichtlich, dass Haman nicht mit der Absicht auf das Polster der Königin gesunken war, um ihr Gewalt anzutun. Das wusste der König selbst! Aber er warf Haman vor, diese Unverschämtheit und Unverfrorenheit zu besitzen, seine Frau in seinem eigenen Haus zu bedrängen. Haman erging es halt wie jemandem, der sein Vertrauen allein in Menschen setzt. Für Haman war die Welt und der Fürst der Welt sein Gott. Somit war für Haman sein eigentlicher Retter und Gott ein launischer, unberechenbarer und sprunghafter König.

 

8b - 10 | Haman wird gehängt

8b Das Wort ging aus dem Mund des Königs, da verhüllte man das Angesicht Hamans. 9 Und Harbona, einer von den Hofbeamten, die vor dem König standen, sprach: Auch siehe, der Baum, den Haman für Mordechai hat machen lassen, der Gutes für den König geredet hat, steht im Haus Hamans, fünfzig Ellen hoch. Und der König sprach: Hängt ihn daran! 10 Und man hängte Haman an den Baum, den er für Mordechai bereitet hatte. Und der Grimm des Königs legte sich.

Kaum hatte der König die Worte ausgesprochen, ergriffen die Hofbeamten Haman und verhüllten sein Gesicht – er sollte diese Welt und den König nie mehr sehen können! Harbona, einer der Hofbeamten berichtete dem König von dem Galgen, den Haman für Mordechai hatte errichten lassen. Harbona war wahrscheinlich einer der Hofbeamten, welche vom König gesandt wurden, um Haman eilends zum Festmahl Esthers abzuholen (Vgl. 6,4). Da haben die Beamten den besagten fünfzig Ellen hohen Galgen gesehen. Nun werden sie Augenzeugen vom tiefen Fall Hamans. Die gleichen nun, die vorher Haman schmeichelten und ihn hofiert hatten, wandten sich nun erbarmungslos gegen ihn. Die Hofbeamten waren reine Opportunisten und zögerten keinen Moment, Haman gnadenlos fallen zu lassen – erbärmlich und rückgradlos!

Die Hofbeamten haben nicht nur schnell begriffen, dass Haman unwiederbringlich in Ungnade gefallen war, sondern auch, dass Mordechai neu in der Gunst des Königs stand. So beeilten sie sich, schnell etwas Gutes über Mordechai zu sagen: "der Gutes für den König geredet hat" (V9c). Die Beamten verwiesen auf den fünfzig Ellen hohen Galgen auf dem Grundstück Hamans. Der König nahm das auf und befahl: "Hängt ihn daran", und in der Folge wurde das gerechte Urteil an Haman vollzogen. Der Galgen, den Haman für Mordechai errichten liess, wurde nun zum Werkzeug um seinen eigenen Tod herbeizuführen. Er strebte stets danach, hoch hinaus zu kommen und von allen gesehen zu werden. Nun wurde er öffentlich und zu seiner Schande zur Schau gestellt. In diesem ist Haman eine Vorschattung auf das Kreuz Jesu Christi, "durch welches er die Fürstentümer und die Gewalten ausgezogen (völlig entwaffnet) hatte, stellte er sie öffentlich zur Schau, indem er durch dasselbe über sie einen Triumpf hielt." (Kol 2,15)

Gott hatte in Seiner Vorsehung alle Dinge zusammenwirken lassen: Vastis Weigerung, vor den König zu treten. Die Wahl Esthers zur Königin. Die Archivaren, die die Wohltat Mordechais dem König vorlasen. Die Hofbeamten mit ihrer feigen und erbärmlichen Haltung. Die Frau Hamans, die ihm den Rat für den Galgen gegeben hatte - all dies und vieles mehr trug dazu bei, Haman, den Feind der Juden, zu Fall zu bringen und Raum zu schaffen für einen neuen Fürsten – Mordechai!



 

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© Bibeltext: Elberfelder Übersetzung (Edition CSV Hückeswagen), © Christliche Schriftenverbreitung, Hückeswagen, alle Rechte vorbehalten, www.csv-bibel.de

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